1. Juli 2022
Heute ist ein historischer Tag, zumindest für viele Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen und dezentralen Energiekonzepten, sicherlich aber auch für viele Letztverbraucher: Am 1. Juli 2022 tritt die vom Bundestag am bereits 28. April 2022 beschlossene Absenkung der EEG-Umlage in Kraft. Die zuletzt in Höhe von 3,723 Cent/kWh bei den Energielieferanten und – reduziert – auch Eigenversorgern (also im Ergebnis fast allen Stromverbrauchern) erhobene Umlage wird durch das „Gesetz zur Absenkung der Kostenbelastungen durch die EEG-Umlage und zur Weitergabe dieser Absenkung an die Letztverbraucher“ bis zum 31. Dezember 2022 auf 0 Cent/kWh abgesenkt. Ab 2023 soll sie dann nach den aktuell vorliegenden Gesetzesentwürfen zum EEG 2023 ganz abgeschafft bzw. in die Finanzierung durch den Bundeshaushalt verschoben werden. Wir stellen die wichtigsten Regelungen vor und skizzieren, was dies für die Erneuerbaren-Branche bedeutet.
Zunächst hat der Gesetzgeber mit dem „Gesetz zur Absenkung der Kostenbelastungen durch die EEG-Umlage und zur Weitergabe dieser Absenkung an die Letztverbraucher“ vorab beschlossen, die EEG-Umlage als Sofortmaßnahme gegen steigende Energiepreise noch im Jahr 2022 auf null abzusenken. Die Stromlieferanten werden mit dem Gesetz zudem auch verpflichtet, diese Absenkung an ihre Kunden weiterzugeben (vgl. §§ 41 Absatz 6, 118 Absatz 36 bis 39 EnWG n.F.). Jedoch gehen viele Beobachter davon aus, dass dieser Effekt leider nur bedingt beim Verbraucher ankommen wird, da gleichzeitig die Beschaffungspreise weiter steigen und dadurch der Absenkungseffekt bei der EEG-Umlage mittelfristig durch Preiserhöhungen eventuell wieder „aufgefressen“ werden könnte.
Die Absenkung der EEG-Umlage erfasst dabei sowohl Netzstromlieferungen als auch Stromversorgungen im Rahmen von dezentralen Konzepten. Auch für Eigenversorgungen und Direktlieferungen außerhalb des Netzes fällt die EEG-Umlage ab dem 1. Juli 2022 also nicht mehr an – und zwar ganz unabhängig von so sperrigen wie häufig praxisuntauglichen Abgrenzungsmerkmalen wie „Personenidentität“ oder „unmittelbarem räumlichen Zusammenhang“! Da die EEG-Umlage für solche Strommengen also generell nicht mehr anfällt, entfallen für alle Sachverhalte ab dem 1. Juli 2022 zudem die zur EEG-Umlage gehörenden Meldepflichten nebst Mess- und Abgrenzungsvorgaben, die vielen dezentralen Energiekonzepten das Leben in den letzten Jahren so schwer gemacht haben. Dasselbe gilt auch z.B. für stromerzeugungsseitige Verbräuche, z.B. die berüchtigten Fragstellungen zu wind- und solarparkinternen Stromflüssen (Stichwort: Kraftwerkseigenverbrauch vs. Eigenversorgung; Eigenversorgung vs. Querlieferung)… Auch industrielle Verbraucher, Schienenbahnunternehmen oder Speicher- und Wasserstoffprojekte, die in den letzten Jahren von den hochkomplexen administrativen Regelungen rund um die EEG-Umlage gebeutelt waren, dürften insoweit aufatmen.
Aber Achtung: Zu beachten ist hierbei, dass für das erste Halbjahr 2022 die Pflicht zur Zahlung der EEG-Umlage ja noch galt – und daher müssen für EEG-Umlage-pflichtige Sachverhalte bis zum 1. Juli 2022 im Jahr 2023 noch einmal die einschlägigen Meldepflichten erfüllt werden!
Aber es gibt einen Lichtblick: Spätestens ab 2024 dürfen die Betroffenen endgültig auf Erleichterung hoffen…
Pünktlich zum Jahresbeginn 2023 sollen sodann gänzlich neue Regelungen zur EEG-Umlage kommen, die nach den aktuellen Entwürfen im sogenannten EEG 2023 und in einem neuen Energie-Umlagen-Gesetz (EnUG) enthalten sein sollen.
Durch weitreichende Änderungen im EEG soll die komplette und ersatzlose Streichung der EEG-Umlage-Regelungen erfolgen, also auch des bundesweiten Ausgleichsmechanismus (vgl. §§ 56 ff. EEG 2021), der „Basisregeln“ zur EEG-Umlage wie die Begriffsbestimmung zur Eigenversorgung (vgl. z.B. § 3 Nr. 19 EEG 2021) oder zum Elektrizitätsversorgungsunternehmen (vgl. z.B. § 3 Nr. 20 EEG 2021), der Regelungen zur EEG-Umlage-privilegierten Eigenversorgung (vgl. §§ 61 ff. EEG 2021), der Regelungen zur besonderen Ausgleichsregelung (vgl. §§ 63 ff. EEG 2021), zu Stromspeichern (vgl. § 61l EEG 2021) und Wasserstoff (vgl. §§ 64a, 69b EEG 2021), der Regelungen zum Messen und Schätzen relevanter Strommengen (vgl. §§ 62a, 62b EEG 2021) sowie von Meldepflichtregelungen (vgl. §§ 74 ff. EEG 2021) nebst diesbezüglicher Sanktionen (vgl. § 61i EEG 2021).
Ebenfalls wird das in der Praxis hochumstrittene Verbot der Eigenversorgung von Ausschreibungsanlagen (vgl. § 27a EEG 2021) endlich (!) ersatzlos gestrichen. Ob die Abschaffung des Eigenversorgungsverbots dabei nur für Neuanlagen ab 2023 oder ebenfalls für Bestandsanlagen gelten wird, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch fraglich. Bislang ist dies im letzten bekannten Gesetzesentwurf zumindest noch nicht ausdrücklich adressiert – wäre unseres Erachtens aber der einzig konsequente und richtige Schritt!
Ab dem 1. Januar 2023 sollen die verbleibenden – allerdings deutlich abgespeckten – Regelungen zur EEG-Umlage sich dann ganz woanders wiederfinden, nämlich im neuen EnUG, in dem neben der EEG-Umlage auch die KWKG-Umlage und die Offshore-Netzumlage geregelt sein sollen. Alle anderen strompreisbezogenen Abgaben und Umlagen (z.B. die Netzentgelte, die StromNEV-Umlage, die AbLAV-Umlage oder die Stromsteuer) bleiben hier außen vor und werden weiter in den bisherigen Gesetzen und Verordnungen geregelt, wobei dort teilweise auf die Regelungen im EnUG verwiesen wird (beispielsweise betreffend die bereits aus dem EEG 2021 bekannten Vorgaben zum Messen und Schätzen). Damit kann es an einigen Stellen zu durchaus relevanten Inkohärenzen kommen und der bisherige „Flickenteppich“, der rund um die gesetzlichen Strompreisbestandteile entstanden ist, wird leider noch nicht ganz konsequent aufgeräumt – aber wir erkennen an: Es ist ein erster Schritt!
Das EnUG sieht für die EEG-Umlage vor, dass die Finanzierung der EEG-Förderung direkt über staatliche Zahlungen erfolgen soll. So werden die bislang bei den Letztverbrauchern über die EEG-Umlage auf der Stromrechnung erhobenen erforderlichen Mittel für die Förderung der erneuerbaren Energien zukünftig direkt aus dem Bundeshaushalt bzw. aus dem Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“ finanziert werden. Nur für den Fall, dass die zur Verfügung stehenden Mittel zur Finanzierung nicht ausreichen, wird gemäß § 10 Absatz 1 E-EnUG die Wiedereinführung der EEG-Umlage offengehalten.
Sollte künftig von der Möglichkeit der Wiedereinführung der EEG-Umlage Gebrauch gemacht werden, gilt diese – wie das gesamte EnUG – nur noch für Netzentnahmen, also für Strom, der über das Netz der allgemeinen Versorgung zum Verbraucher gelangt. Das bedeutet: Zum gegenwärtigen Stand wird die EEG-Umlage für dezentrale Energiekonzepte, windparkinterne Verbräuche, Eigenversorgungen und Direktlieferungen (auch: On-Site-PPA), die Ein- und Ausspeicherung von Strom in dezentralen Stromspeichern etc. etc. dauerhaft abgeschafft! Gleiches gilt im dezentralen Bereich logischerweise dann auch für die zuletzt hochkomplexen Regelungen zum Messen, Abgrenzen und Schätzen belasteter Strommengen, für die EEG-Umlage-bezogenen Meldepflichten, für die Sonderregeln für Speicher und Wasserstoff und für die besondere Ausgleichsregelung.
Da jedoch für Netzentnahmen nach dem EnUG weiterhin die KWKG-Umlage sowie die Offshore-Netzumlage erhoben werden (und es auch als Verweisgrundlage für die StromNEV- und die AbLaV-Umlage dient, die ebenfalls für Netzentnahmen weiterhin erhoben werden), sollen für Netzstrom in bestimmten Konstellationen weiter verschiedene Begünstigungen gelten, etwa für Speicher-, Wasserstoff-, Ladesäulen-, Wärmepumpenprojekte sowie für besonders stromkostenintensive Branchen. Und für diese beinhaltet das EnUG dementsprechend auch zahlreiche Regelungen, die man aus dem EEG kennt. Diese haben aber künftig eben für viele Projekte und Konstellationen keinen oder nur noch einen deutlich eingeschränkten Anwendungsbereich. Also, nicht erschrecken, wenn man dann doch wieder etwas vom „Messen und Schätzen“ oder vom Saldierungsprinzip bei Speichern liest – erst einmal gründlich prüfen, ob und inwieweit einen dies im eigenen Projekt noch betrifft!
Auch die Regelungen für Grünen Wasserstoff, die allerdings noch der Konkretisierung auf europäischer Ebene durch einen sogenannten Delegierten Rechtsakt der EU-Kommission harren, finden sich nun im EnUG-Entwurf wieder und gelten hier dann künftig für die KWKG- und die Offshore-Netzumlage, soweit der Elektrolyseur Strom aus dem Netz bezieht (aus einem für uns nicht ersichtlichen Grund gelten diese Begünstigungen mangels sinnvoller Verweise im Gesetzesentwurf auch weiterhin nicht für die StromNEV- und AbLaV-Umlage, aber wir hoffen, dass diese Inkohärenz irgendwann einmal beseitigt wird). Auch hier ist der Anwendungsbereich künftig also deutlich eingeschränkt.
Wir leiten unser Fazit mal so ein: Manche Abschiede schmerzen weniger als andere…
Obgleich der zunehmende bürokratische Irrsinn rund um die EEG-Umlage in den letzten Jahren für viele Berater sicher ein nicht uneinträgliches Betätigungsfeld war und ganze Geschäftsfelder sich um ihre Minimierung entwickelt haben, weinen wir ihr zugegebenermaßen nicht wirklich hinterher. Denn es gibt – und das wissen alle, die sich in den letzten Jahren mit der EEG-Umlage aus operativer Sicht befasst haben – durchaus Erquicklicheres, als sich Gedanken darüber zu machen, ob die verwitwete Stieftante, die in der Einliegerwohnung lebt, wohl noch „personenidentisch“ den Strom aus der Solaranlagen auf dem Hausdach verbrauchen kann, ob der Graben oder die Landstraße zwischen dem Solarpark und dem Elektrolyseur den „unmittelbaren räumlichen Zusammenhang“ unterbricht, wie genau ein EEG-konformes Mess- und Abrechnungskonstrukt aussehen muss, das die EEG-Umlage-pflichtigen Strommengen in einem Windpark mit 12 Betreibern, einer Infrastrukturgesellschaft und einem von einem Dritten betriebenen Umspannwerk korrekt ermittelt, wie die Anforderungen zur Erfassung, Abgrenzung und Saldierung der EEG-Umlage-relevanten Strommengen bei DC-gekoppelten Speichern und anderen DC-Systemen funktionieren soll, für die es gar keine geeichten Zähler am Markt gibt oder ob eine rekuperierende Straßenbahn wohl aufgrund der Bremsenergierückgewinnung eine EEG-Umlage-pflichtige Stromerzeugungsanlage ist – von der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Meldeformularen und -portalen der Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber einmal abgesehen. Insoweit gehen wir davon aus, dass die nunmehr eingeleiteten Schritte in vielen Projekten tatsächlich für ganz erhebliche Erleichterungen sorgen werden. Auch wenn wir Berater vielleicht bei der EEG-Umlage ein bisschen weniger zu tun haben werden – auch wir freuen uns sehr darauf, uns gemeinsam mit Ihnen auch wieder anderen, weniger kafkaesken Bereichen der Energiewende widmen zu können!
Ebenfalls hochspannend wird es sein zu beobachten, wie sich diese Entwicklungen auf die Praxis der dezentralen Stromversorgung auswirken werden: So könnten Anlagenpachtmodelle deutlich an Bedeutung gegenüber sogenannten Onsite-PPA oder Contractingmodellen verlieren, bei denen der Strom schlicht von einem professionellen Betreiber vom eigenen Dach geliefert wird, ohne dass man sich selbst um den Anlagenbetrieb kümmern muss. Gleichzeitig könnte der Wegfall des engen EEG-Korsetts auch neue Gestaltungsspielräume für Pacht- und Betriebsführungsmodelle eröffnen. Gleichzeitig will der Gesetzgeber voraussichtlich neue Anreize schaffen, erzeugten Strom ins Netz einzuspeisen, statt ihn dezentral zu verbrauchen, etwa durch einen neuen „Volleinspeisebonus“ für Aufdach-Solaranlagen. Es wird also spannend bleiben, dezentrale Energiekonzepte zu begleiten und zu gestalten, natürlich besonders gerne auch mit Speichern, synthetischen Gasen oder Ladesäulen. Wir freuen uns drauf, Sie bei Ihren neuen Ideen und Konzepten auch weiterhin zu unterstützen – überraschen Sie uns!