Auf den Beschluss des OLG Düsseldorf zum Aktenzeichen 3 Kart 183/23 zur Erhebung von Baukostenzuschüssen hat die Batteriespeicherbranche zuletzt mit Spannung gewartet. Seit Jahren klagen die Speicherprojektierer und -betreiber darüber, dass die Baukostenzuschüsse ein Investitionshemmnis sind und aufgrund ihrer regionalen Unterschiede zu erheblichen Fehlallokationen von Speichern führen. Nachzulesen sind einige der damit verbundenen Probleme für die Praxis beispielsweise hier. Das OLG Düsseldorf erließ nun am 20. Dezember 2023 einen weitreichenden Beschluss, dessen Begründung seit wenigen Tagen vorliegt: Die bisherige Berechnungsweise der Baukostenzuschüsse für Batteriespeicher, wie zahlreiche Netzbetreiber sie nach Leitlinien der Bundesnetzagentur seit Jahren fordern, sei rechtswidrig. Das Gericht hat dabei allerdings nicht per se gegen die Erhebung von BKZ bei Speichern entschieden – diese müssen künftig nur eben anders berechnet werden. An dieser Stelle erst einmal unsere Glückwünsche an die verfahrensführenden Kollegen und das betroffene Unternehmen, das die gerichtliche Überprüfung hier veranlasst hat! Aus Praxissicht stellt sich allerdings die Frage, was dieses Urteil nun genau bedeutet und wie man hiermit in konkreten Projekten umgehen sollte. Wir geben Ihnen daher im Folgenden einen Überblick über die Entscheidung des OLG Düsseldorf sowie die wesentlichen Argumente im Verfahren und wagen eine erste Einordnung der weiteren Auswirkungen der Entscheidung auf die Projektpraxis.
Baukostenzuschüsse – Was ist das und wieso sind sie für Speicher problematisch?
Baukostenzuschüsse (BKZ) werden grundsätzlich bei jedem Netzanschluss von Verbrauchern erhoben. Gesetzlich sind sie lediglich für die Niederspannungsebene ausdrücklich festgelegt (siehe § 11 NAV). Oberhalb der Niederspannungsebene sind sie hingegen bislang nur rudimentär geregelt, etwa durch einschlägige Rechtsprechung sowie diesbezügliche Handreichungen der Bundesnetzagentur (BNetzA). Ihre Zulässigkeit und Ausgestaltung wird dabei überwiegend in „die technischen und wirtschaftlichen Bedingungen“ des § 17 Absatz 1 Satz 1 EnWG hineingelesen, zu denen Netzbetreiber Letztverbraucher an ihr Versorgungsnetz anzuschließen haben – wobei diese Bedingungen angemessen, diskriminierungsfrei und transparent sein müssen. BKZ orientieren sich nach der allgemeinen Praxis der Höhe nach an den Netzentgelten im jeweiligen Verteilnetz. Im Kern verfolgen sie dabei einen „pädagogischen“ Zweck: Verbraucher sollen motiviert werden, ihre Anschlussleistung an ihrem tatsächlichen Bedarf auszurichten und überdimensionierte Anschlussplanungen im Hinblick auf eine an der tatsächlichen Nachfrage ausgerichtete Netzplanung zu vermeiden.
Bislang wurden die Regelungen der Netzbetreiber zu Baukostenzuschüssen in der Regel unterschiedslos auf Batteriespeicher übertragen, sprich: diese wurden genauso behandelt, wie jeder private oder industrielle Letztverbraucher, der einen Netzanschluss begehrt, obwohl sie sich je nach Betriebskonzept natürlich aus Netzsicht vollkommen anders verhalten. Insbesondere bei rein netzgekoppelten Speichern ist ersichtlich, dass diesem aus Netzsicht neben der „Letztverbraucherfunktion“ des Speichers auch eine „Einspeisefunktion“ zukommt. Denn Speicher dienen im Kern nicht dem finalen Verbrauch von Strom, sondern einer zeitlichen Verzögerung zwischen Aus- und Einspeisung. Je nach Betriebskonzept und konkreter Fahrweise kann ein netzgekoppelter Speicher somit auch das Netz, an das er angeschlossen ist, erheblich entlasten. Nicht selten kooperieren Speicherbetreiber auch direkt mit Netzbetreibern, um sie bei der Netzoptimierung und den Herausforderungen einer zunehmend volatilen Stromerzeugung zu unterstützen. Vor diesem Hintergrund vertreten die Speicherbranche sowie auch Stimmen in der Fachliteratur seit Jahren, dass die unterschiedslose Erhebung von Verbraucher-BKZ für Speicher zumindest unsinnig, gegebenenfalls auch rechtswidrig sei. Viele Netzbetreiber sahen sich insoweit allerdings an die Vorgaben der BNetzA gebunden und befürchteten, gegen das energiewirtschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot zu verstoßen, wenn sie Speicher anders behandeln als „normale“ Letztverbraucher.
Konkret umgesetzt wird die BKZ-Forderung und -Berechnung dabei in der Regel über die Allgemeinen Bedingungen der Netzbetreiber sowie das Vertragswerk zu dem jeweiligen Netzanschluss. Nach den Angaben von Speicherbetreibern können die BKZ dabei bis zu 15 oder 20 Prozent des Investitionsvolumens des jeweiligen Speicherprojekts betragen. Allerdings sind sie in der Praxis regional so unterschiedlich, dass sie derzeit ein wesentlicher Faktor dafür sind, in welchen Regionen Deutschlands Speicher errichtet werden – und in welchen nicht. Waren nun beispielsweise im Netzanschlussvertrag bei der Anschlusskostenkalkulation auch BKZ ausgewiesen (nicht selten in sechsstelliger Höhe), hatte der Speicherbetreiber letztlich nur die Wahl zwischen einer Vertragsannahme und Leistung unter Vorbehalt – oder einer unter Umständen erheblichen Verzögerung des gesamten Projektes aufgrund einer Weigerung, den Netzanschlussvertrag zu unterschreiben, solange dieser einen BKZ enthält.
Wie kam es zu dem Verfahren und wie ist da jetzt der Stand?
Nunmehr ist genau ein solcher Fall entschieden worden – mit einem spektakulären, für die Praxis aber auch durchaus ambivalenten Ergebnis…
Doch wie kam es dazu?
Am 20. Juni 2022 leitete ein Speicherbetreiber aufgrund der Erhebung eines Baukostenzuschusses gegen den Betreiber des Verteilnetzes, an das der Speicher angeschlossen werden sollte, ein sogenanntes besonderes Missbrauchsverfahren nach § 31 EnWG bei der Bundesnetzagentur ein. Mit diesem Verfahren können Marktteilnehmer – etwas vereinfacht gesagt – bei der Bundesnetzagentur beantragen, dass diese einen Netzbetreiber dazu zwingt, ein diskriminierendes und gegen die energiewirtschaftsrechtlichen Regelungen verstoßendes Verhalten zu unterlassen. In dem Verfahren entschied die Bundesnetzagentur mit Beschluss vom 6. Dezember 2022 jedoch zugunsten des Netzbetreibers: Die Erhebung des Baukostenzuschusses sei hier dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig erfolgt. Gegen diese Entscheidung der Bundesnetzagentur wiederum erhob der Speicherbetreiber sodann die hierfür statthafte Beschwerde vor dem OLG Düsseldorf.
Das OLG Düsseldorf erließ sodann am 20. Dezember 2023 seinen weitreichenden Beschluss, das einen Paukenschlag verkündete: Die bisherige Berechnungsweise der Baukostenzuschüsse für netzgekoppelte Batteriespeicher ist nach Auffassung des Gerichts rechtswidrig!
Aber: Bitte nicht zu früh freuen…
Denn abgesehen von einigen offenen Fragen, mit denen das Gericht die Praxis hier zurücklässt (hierzu mehr weiter unten), ist das Verfahren mit der aktuellen Entscheidung auch noch gar nicht zwingend abgeschlossen: Das OLG Düsseldorf hat aufgrund der grundlegenden Bedeutung der Frage die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Zum Zeitpunkt dieser Meldung ist noch nicht bekannt, ob eine der Parteien den BGH anrufen wird – und der Streit um die Speicher-BKZ damit in eine weitere, unter Umständen langwierige, Runde geht.
Was sagt das Gericht – und was nicht?
Für das Verständnis einer gerichtlichen Entscheidung und die Bewertung ihrer Praxiswirkung ist bekanntlich nicht nur wichtig, welcher Leitsatz oben drübersteht – sondern auch, welche Argumente das Gericht letztlich überzeugt haben. Und nicht zuletzt ist häufig auch das von besonderer Bedeutung, was das Gericht gerade nicht sagt. So auch hier. Insgesamt liest sich der Beschluss für juristische Laien (und durchaus nicht nur für diese….) sicherlich erst einmal sperrig. Wir haben uns bei der Lektüre allerdings mehrfach gefreut, denn das Gericht setzt sich hier durchaus differenziert und in erfreulicher Tiefe mit der Verfahrensfrage auseinander und entwickelt interessante eigene Argumentationslinien. Insbesondere ist vorab positiv hervorzuheben, dass das Gericht sich nicht einfach auf den – seit Jahren in den einschlägigen Debatten immer wieder vorgetragenen – Glaubenssatz zurückzieht, dass Speicher rechtlich eben (zumindest auch) als Verbraucher gelten und daher auch nicht anders behandelt werden dürften. Vielmehr ist eine Kernaussage der Entscheidung: Speicher sind eben keine normalen Verbraucher und genau deshalb ist gerade ihre Gleichbehandlung bei den BKZ eine Diskriminierung – denn Ungleiches darf genauso wenig gleich behandelt werden, wie Gleiches ungleich. Und hier konnten wir uns nach vielen Jahren der zähen juristischen Diskussionen um Speicher beim Lesen zugegebenermaßen nicht verkneifen, ein herzhaftes „ENDLICH sagt es mal jemand!“ zumindest zu denken… Doch kommen wir nun vom Grundsätzlichen erst einmal wieder zum Konkreten:
Was genau hat das Gericht denn nun entschieden?
Das OLG Düsseldorf gab der Beschwerde des Speicherbetreibers in begrenztem Umfang statt:
Das bedeutet etwas vereinfacht gesagt: Die BNetzA hätte dem Netzbetreiber die konkrete Festsetzung des BKZ nicht durchgehen lassen dürfen. Das heißt aber nicht automatisch auch, dass damit BKZ für Speicher in diesem Fall oder sogar generell gar nicht mehr erhoben werden dürfen. Die gerichtliche Entscheidung ersetzt hier also nicht etwa per se die Entscheidung der BNetzA. Die BNetzA muss den Fall nun vielmehr neu bewerten und muss sich dabei an die Leitlinien halten, die das Gericht ihr hier mit dem Beschluss mitgegeben hat. Diese sind jedoch – wie wir gleich noch näher zeigen werden – naturgemäß eher abstrakt und lassen die Details der Umsetzung in der Praxis ausdrücklich offen. Die BNetzA hat nun also (sofern sie die Entscheidung nicht vor dem BGH anficht) die nicht eben dankbare Aufgabe, eine neue Entscheidung zu erlassen, die dann aber gegebenenfalls erneut gerichtlich daraufhin überprüft werden könnte, ob sie den Maßgaben des aktuellen Beschlusses auch wirklich hinreichend entspricht.
Die wesentlichen Entscheidungen und Argumente des OLG Düsseldorf lassen sich dabei wie folgt zusammenfassen:
Und damit entlässt das OLG Düsseldorf die BNetzA, die Netzbetreiber und die Speicherbranche in die Praxis. Was genau insbesondere die BNetzA nun als nächstes tut – die Entscheidung beim BGH anfechten, dem Netzbetreiber die Erhebung des BKZ zu untersagen, oder eine andere Ermessensentscheidung zu treffen – bleibt also besonders spannend…
Was bedeutet das jetzt für die Praxis?
Vor diesem Hintergrund halten wir es für angezeigt, bei der Bewertung des Beschlusses hinsichtlich seiner Praxiswirkung noch etwas Zurückhaltung zu üben.
Denn es dürfte deutlich geworden sein, dass die Auswirkungen des Beschlusses auf die Praxis im Einzelnen derzeit noch nicht klar vorhersehbar sind:
Unterm Strich… – Was bleibt?
Der Beschluss ist in jedem Fall insgesamt ein Gewinn für die Speicherbranche, auch wenn das bestmögliche Ergebnis – die völlige Befreiung von Baukostenzuschüssen – nicht erreicht worden ist. Die Kernaussage des Beschlusses, dass die bisherige Praxis rechtswidrig ist, weil Speicher etwas anderes als Letztverbraucher sind und Ungleiches nicht gleich behandelt werden darf, dürfte über den Beschluss hinaus „energierechtliche Wellen schlagen“. Denn hier steht letztlich nun endlich einmal schwarz auf weiß von dem „Energie-OLG“ Deutschlands genau das geschrieben, was die Speicherbranche schon seit vielen Jahren gebetsmühlenartig wiederholt: „Speicher sind nicht dasselbe wie Letztverbraucher. Ihre besonderen Eigenschaften müssen berücksichtigt werden. Dass dies nicht geschieht, ist keine Gleichbehandlung, sondern Diskriminierung, die zu verzerrten Marktbedingungen führt.“
Leider bringt der Beschluss jedoch auch Ambivalenzen mit sich und wirft (erhebliche) Folgefragen auf. Da eine neue Berechnungsmethode für die Ermittlung der Baukostenzuschüsse für Speicher, die den Leitlinien des OLG Düsseldorf gerecht wird, erst noch neu entwickelt werden muss, bleibt die erhoffte Klarheit aus und es wird ein weiterer Zeitraum der Rechtsunsicherheit für die insoweit leidgeprüfte Speicherbranche folgen. Hoffen wir, dass er diesmal kurz bleibt und die Bundesnetzagentur gemeinsam mit den Netzbetreibern alsbald Klarheit schafft.
Wie so oft im Energierecht gilt an dieser Stelle: Es bleibt spannend und wir bleiben am Ball! Im weiteren Verlauf des Verfahrens und in den Speicherprojekten unserer MandantInnen. Wir halten Sie auf dem Laufenden.